
Beiß mich, kau mich, verdau mich
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Ein Bild schmort in meinem erotischen Gedächtnis vor sich hin. Bei dieser Aufnahme ist die Kamera so nah am Objekt, dass die Betrachter angeregt sind, die glänzenden Tropfen auf der prallen, bronzefarbenen, hautporigen Struktur abzulecken.Den größten Raum nimmt Schatten ein. Stimulierend sind hier alle Möglichkeiten außerhalb des marginalen Lichteinfalls. Dinge, die man sich mit Fingern, Lippen, Zungen und Zähnen einverleibt. Und genau da liegt das Problem. Denn ich weiß nicht, ob es ein Ding zum Ficken oder Fressen ist.
Susi Kohlmann ist NÉNÉ Kolumnistin und sitzt mit Gedanken an Sex vor dem Internet. Die Ergüsse sind nicht abwaschbar, das Beste was uns Lesern passieren kann!
FOTO: David Anthony
Vögelei und Völlerei teilten sich schon vor der Erfindung des Internets die Laken. Auf Tonschalen und –töpfen aus dem antiken Griechenland wird kopuliert und nebenbei exzessiv getrunken und gegessen. Dionysos aka Bacchus verantwortete die Aufgabenressorts Wein, Wahnsinn und Fruchtbarkeit als Allrounder. Auch in den Bildern von Rembrandt sieht man nicht nur füllige, sondern sich befüllende Schönheiten. Fleischbeschau war schon immer sexy und so schafft es Jan Fyt mit seinen gespreizten Schinken und Hühnerschenkeln, dass ich feucht werde, im Spalt zwischen Zunge und Zahnfleisch. Mit dem Internet wurde Foodporn populär. Gesellschaftsfähiger war es vielleicht vor dem Internet. Hinter Eiern und Äpfeln haben Künstler schon immer erotische Botschaften versteckt.
Wer meint Onlinepornos verderben den Appetit hebe die freie Hand
Das Gerücht kursiert in unserer Generation, Onlinepornos ließen unsere Beziehungen zu den realen Körpern in unseren Betten schlecht werden. Ob das stimmt, kann niemand so wirklich beweisen oder wiederlegen. Guter Sex ist in der Wissenschaft eine kaum erforschte Fremde. Zur Pornographie aber gibt es Tests und Thesen. Einige davon besagen, dass bestimmte Kameraeinstellungen und Beleuchtungsarten aus einer Szene eine pornographische machen. Der Betrachter der (bewegten) Bilder wird über den Bildausschnitt so nah an das Gezeigte geführt, dass kein Raum für Ablenkung oder Kontext bleibt. Die Nähe schafft das Gefühl selbst dabei zu sein. Darum sieht man vom männlichen Darsteller seltener ein Gesicht.
Sind Gnocchi geiler als Gurken?
Tatsächlich bedient sich der Online Foodporn eben dieser Technik. Der gezeigte Happen könnte überall sein und der Ausschnitt ist so schmal, dass kein Mit- oder gar Wegesser im Raum erkennbar ist. Das Bild suggeriert „Das hier ist intim. Nur ich und dein Mund. Du kannst deinem Verlangen freien Lauf lassen“. Aber ist es erotisch, nur weil es technisch pornographisch ist?
Der sogenannte foodpornindex(.com) schlüsselt auf, wie stark unterschiedliche Speisen zur Verbreitung des Hashtags beitragen. Mit 65,5 zu 34,5% Prozent hat Ungesundes versus Gesundes den tatsächlich fetteren Anteil an Foodporn im Netz. Die Freude der oberen und unteren Körperhälfte kommt aus dem Kopf, dem Gewissen. Es ist schlecht also wird es sich gut anfühlen.
Kann man Erotik und Ästhetik einfach in einen Topf werfen?
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